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Autor Thema: Wann ist ein Kind behindert?  (Gelesen 23950 mal)

junilida

  • Gast
Wann ist ein Kind behindert?
« am: 23.07.2010, 20:40 »
Hallo,

wir hatten heute Abschlußfest in Niklas seinem Kindergarten. Er hat 3,5 Jahre einen heilpädagogischen Kiga besucht. Ich kam mit einer Mutter ins Gespräch, die 1. Vorsitzende einer Selbsthilfegruppe für behinderter Kinder ist. Sie hat mich immer wieder drauf angesprochen, ob ich dem Verein nicht beitreten möchte, an Spielkreisen oder Ausflügen teilnehmen möchte. Ich bin ihr immer wieder ausgewichen, da ich Niklas nie als behindert angesehen habe oder auch ansehe. Für mich ist er ein "normales" Kind, daß defizite aufweist. Niklas war zwar nicht in der Lage, einen Regelkiga zu besuchen und kann auch nicht in eine Regelgrundschule gehen, aber das macht ihn nicht gleich zu einem behinderten.

Wer bestimmt denn, wann ein Kind als behindert eingestuft wird? Ein Arzt, ein Amt oder die Gesellschaft?
Das beschäftigt mich jetzt seit Stunden  :denknach:



Nilpäd

  • Gast
Re: Wann ist ein Kind behindert?
« Antwort #1 am: 23.07.2010, 21:24 »
Behinderungen sind ziemlich genau definiert. Dazu gibt es die verschiedensten Seiten und Tabellen.
Wer das einstuft ist unterschiedlich. Meistens stellen Ärzte die "Defizite" und/oder Diagnosen fest, die dann vom Amt und/oder Landschaftsverband bestätigt werden (können). Zum Beispiel durch einen Schwergeschädigtenausweis.
Ob Eltern diese "Behinderung" ihres Kindes als solche annehmen (können), oder auch nicht, liegt immer bei ihnen.

LG
Päd, das selber 2 "offiziell" behinderte Kinder hat.

junilida

  • Gast
Re: Wann ist ein Kind behindert?
« Antwort #2 am: 23.07.2010, 22:07 »

Ob Eltern diese "Behinderung" ihres Kindes als solche annehmen (können), oder auch nicht, liegt immer bei ihnen.

LG
Päd, das selber 2 "offiziell" behinderte Kinder hat.


Hast Du es denn angenommen? Würdest Du Deine Kinder als "behindert" bezeichnen oder ansehen?
Nur weil sie "anders" sind?
Hat es Dir oder den Kindern was gebracht, sie "offiziell" als behindert einstufen zu lassen?

Nilpäd

  • Gast
Re: Wann ist ein Kind behindert?
« Antwort #3 am: 23.07.2010, 23:18 »

Ob Eltern diese "Behinderung" ihres Kindes als solche annehmen (können), oder auch nicht, liegt immer bei ihnen.

LG
Päd, das selber 2 "offiziell" behinderte Kinder hat.


Hast Du es denn angenommen? Würdest Du Deine Kinder als "behindert" bezeichnen oder ansehen?
Nur weil sie "anders" sind?
Hat es Dir oder den Kindern was gebracht, sie "offiziell" als behindert einstufen zu lassen?

In meinem Fall: definitiv JA!

Offline annadanzig

  • Friend
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  • Beiträge: 99
Re: Wann ist ein Kind behindert?
« Antwort #4 am: 24.07.2010, 10:53 »
ich glaube ,das problem liegt eigentlich nur darin ,daß mit dem wort behindert sofort etwas negatives verbunden wird.aber warum?jeder von uns ist irgendwie behindert,nur man sieht es nicht gleich.in den letzten jahren hat sich aber viel getan in bezug auf integration.jeder ,der behindert ist,muß lernen ein ganz ganz starkes selbstbewußtsein zu entwickeln und da ist die umwelt gefordert,einem kind oder auch erwachsenen auf diesem weg zu helfen.
 :denk: :denknach:

Winy

  • Gast
Re: Wann ist ein Kind behindert?
« Antwort #5 am: 24.07.2010, 12:18 »
Wir sagen übrigens in unserer integrativen Kita nicht "behinderte Kinder", sondern bei uns sind das "besondere Kinder" oder "Kinder mit besonderem Förderbedarf".

Was ich ganz wichtig finde und genau wie Nilpäd sehe, ist, dass die Eltern das Anderssein, die Behinderung, das Besonders-Sein, den besonderen Förderbedarf - oder wie auch immer man es bezeichnen will und möchte - annehmen.

Denn das bedeutet einerseits, das Kind so anzunehmen, wie es ist, es dort abzuholen, wo es steht, und natürlich für sich selbst als Eltern, aber vor allem beim Kind das entsprechende Selbstwertgefühl aufzubauen.
Andererseits bedeutet es auch, sich intensiv mit den Defiziten des Kindes auseinanderzusetzen, um genau die richtigen Hilfen und Therapien für das Kind zu finden und selbst an der Förderung entsprechend intensiv mitarbeiten zu können.

Es bedeutet aber auch, die Hilfe von Gruppen wie Selbsthilfegruppen, Foren usw. annehmen zu können, wo man als Eltern jemanden zum Reden und Austauschen hat, was ich extrem wichtig finde, zur Entlastung im nicht immer ganz einfachen Alltag mit einem besonderen Kind. Einfach mit anderen reden zu können, denen es genau so geht, sich auszutauschen über Symptome, Verhalten, Förderung, Therapien, Höhen und Tiefen, Fortschritte und Rückschläge, bringt unheimlich viel.

Egal, ob Du es als "behindert", "besonders" oder "Defizite" oder "besonderer Förderbedarf" bezeichnest, es ist DEIN Kind, Du liebst es wie es ist, aber es ist eben anders und braucht auf seinem Weg ins Leben mehr Unterstützung als andere Kinder. Dabei kann natürlich für die Eltern UND für das Kind eine solche Selbsthilfegruppe sehr hilfreich sein.

Liebe Grüße,
Winy :winy:

Bob

  • Gast
Re: Wann ist ein Kind behindert?
« Antwort #6 am: 26.07.2010, 19:32 »
Wenn ich an die Vorteile denke , die eine Behinderung mitsich bringt die auf dem
Papier steht , ich würde sie annehmen. An den Tatsachen ändert es gar nichts.
Ob du dein Kind selber als Behindert anerkännst , ist eine Sache der eigenen Warnehmung.
Unser 1. Sohn kam mit einer Trisomie 18 zur Welt. Dadurch war er Behindert. Wenn das die
einzige Tatsache gewesen wäre , wären wir damit auch zufrieden gewäsen. Ich glaube
das annehmen einer Behinderung hilft auch damit umzugehen, denn einfach nur verdrängen
schafft keinen klaren Kopf, um das beste daraus zu machen, sprich fördern und begleiten in
den normalen Altag.  Unser 2. Sohn kam mit einer LKGs Spalte zur Welt, ich war zwar zuerst
geschockt,es dauerte aber keine Minute um zu wissen, das man jetzt handeln muß und nicht verdrängen.
Die ersten sieben Jahre hatte er einen Behindertengrad von 100 % . Er und wir hatten nicht einen
Nachteil dadurch, haben aber jeden Vorteil genutzt. Als Behindert haben wir ihn nie gesehen.
Heute kann ich viel besser mit Menschen mit Defizieten umgehen als früher, weil ich einfach
heute anders sehe ( und das nicht nur mit den Augen)
Gruß Bob
« Letzte Änderung: 26.07.2010, 19:35 by Bob »

Offline sancho

  • Foreninventar
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  • Beiträge: 3451
Re: Wann ist ein Kind behindert?
« Antwort #7 am: 26.07.2010, 20:06 »
Bob ich finde das hast du sehr schön geschrieben  :inlove:

Tina, ich glaube deine Frage zielt eher darauf ab, was genau man als Behinderung definiert oder? also wie stark man eingeschränkt ist dadurch. Ich persönlich trage wie mein Mann eine Brille und einen Beruf den ich gerne gelernt hätte ist dadurch nicht möglich, mein Mann sieht mit Brille 80%, 100% wären nur mit Linsen möglich was er nicht verträgt. Also def. auch eine Behinderung wird aber sicher nicht so angesehen, weils ja nur eine Brille ist und somit Gesellschaftstauglich.
Bei einem Kind mit Trisomie 21 (Mongologie früher) sieht mans auf den ersten Blick und stuft es somit auch als klar behindert ein.

Ich war lange Pfadileiterin von  behinderten Menschen, war alles dabei. Stark behinderte und schwache, Körperliche und solche denen mans nicht ansah.Alle hatten ihre Defizite und alle ihre Stärken, genauso wie 'normale' Menschen.
Wichtig war nur, für sie und uns, dass man sie so annimmt wie sie sind, und vorallem auch mit ihrem Stärken arbeitet.
Am Anfang sah ich die Behinderung, je länger ich mit ihnen zusammen war je weniger! je mehr wars einfach der Mensch.

Wen du dein Kind so annimst wie es ist, dann finde ich ist das super, trotzdem wirst du dir und ihm einiges erleichtern, wenn du die Behinderung annimmst, nur schon halt das er vielleicht anderst benotet wird durch dies. Auch damit du ihn stärken kannst für die Gesellschaft, weil die find ich teilweise grausam.
 ob du in eine solche Gruppe gehen willst oder nicht finde ich liegt daran wie du mit umgehen kannst und willst  ;) mach das was für dich stimmt!
sorry weiss nciht ob das nun am Thema vorbei war  :rotwerd:
Träume nicht dein Leben, lebe deinen Traum *kwhwnv*
Fröschli 06/09, Krümelchen 03/2013 und Klopfer Herbst 2016

Töfchen

  • Gast
Re: Wann ist ein Kind behindert?
« Antwort #8 am: 27.07.2010, 07:41 »
Ich habe mir lange Gedanken zu diesem Thema gemacht... Wie einige wissen, hat Eichi hochgradig ADHS und Felicitas einen Herzfehler.

Das ADHS von Eichi prägt unseren Familienalltag massiv, sodass ich hier schon von einer Behinderung sprechen würde (nebenbei hat er auch einen GdB von 40 % dadurch). Vieles läuft bei uns einfach anders als in "normalen" Familien.
Felicitas Herzfehler sieht man jetzt nicht auf den ersten Blick. Für Aussenstehende ist sie einfach nur klein. Wir, die wissen, warum sie mit fast 6 Jahren immer noch Kleidergröße 104 trägt, sehen die Sache natürlich anders.

Dann hat die Tochter einer Freundin Zöliakie (also eine Glutenunverträglichkeit), sie ist extrem eingeschränkt, was eben das Essen in der Schule, auf Kindergeburtstagen usw. betrifft. Sie ist zwar nicht körperlich behindert, aber eben eingeschränkt. Ich habe kein Problem damit, glutenfrei zu kochen, aber offensichtlich bin ich eine der wenigen auf weiter Flur.

Was ich damit sagen will....
Behindert - das klingt in der Tat immer so nach "Rollstuhl, Blindenhund usw.", aber wie man das Kind nennt ist doch egal. Nennt man es halt "anders, besonders usw."

Junilida, vielleicht hilft es Dir ja, in so eine Gruppe zu gehen, Dich auszutauschen, Wege zu finden usw.
Ich glaube, ich würde es einfach ausprobieren

junilida

  • Gast
Re: Wann ist ein Kind behindert?
« Antwort #9 am: 27.07.2010, 09:32 »

Was ich damit sagen will....
Behindert - das klingt in der Tat immer so nach "Rollstuhl, Blindenhund usw.", aber wie man das Kind nennt ist doch egal. Nennt man es halt "anders, besonders usw."


Das ist in etwa das, was ich meine. Er ist nicht in dem Sinne "behindert", er ist halt anders.
Man sieht ihm ja nichts an. Er ist weder körperlich, noch geistig behindert (er hat einen durchschnittlichen IQ von 98).

Niklas hat sprachlich große Probleme. Er stottert und stammelt, kann keine Vergangenheitsformen bilden, kann den richtigen Artikel (der,die,das) nicht richtig zuordnen, kann "er" von "sie" nicht unterscheiden (für ihn sind alle "er", egal ob männl. oder weibl.) und weitere sprachliche defizite.
Außerdem hat er Wahrnehmungsstörungen, visuelle und körperliche. Dazu kommen noch verschiedene psychische Probleme.
Er ist Entwicklungsverzögert. Mit 3 Jahren war er auf dem Stand eines 18-22 alten Kindes. Vor einem halben Jahr wurde er erneut getestet, somit war er am Anfang seines 6. Lebensjahrs auf dem Stand eines 4,5 - 5 jährigen.

Wenn ich in seinem Leben zurück blicke, hat er sich aber besser entwickelt, als wir damals gedacht hätten. Er hat alles an Förderung bekommen, was möglich war (dazu hat erheblich der Kindergarten beigetragen).

Trotzallesdem ist es MEIN Kind, auf das ich stolz bin, auch wenn er "anders" ist!

Töfchen

  • Gast
Re: Wann ist ein Kind behindert?
« Antwort #10 am: 27.07.2010, 10:01 »
Junilida, wenn ich Dich recht verstehe, kannst Du Deinen Sohn annehmen, so wie er ist. Du hast nur Probleme, dass die andere Frau Dich angesprochen hat wegen der Gruppe..

Warum probierst Du es nicht einfach mal aus? Vielleicht können andere Eltern auch von Deiner Einstellung profitieren. Und vielleicht tut es ihm auch mal gut zu sehen, dass er vielleicht Dinge kann, die andere eben nicht können. Also quasi ihn aus der "schlechten" Position rausholen...

Nur so mal als Gedanke

Nilpäd

  • Gast
Re: Wann ist ein Kind behindert?
« Antwort #11 am: 27.07.2010, 10:11 »
Trotzallesdem ist es MEIN Kind, auf das ich stolz bin, auch wenn er "anders" ist!

Das hat hier doch auch niemand in Frage gestellt. :inlove:

Was die Gruppe betrifft, könntest du das ja wirklich mal ausprobieren.
Wobei ich fairerweise sagen muss, dass ich (auch?) nicht der "Gruppen-Typ" bin. :rotwerd:

junilida

  • Gast
Re: Wann ist ein Kind behindert?
« Antwort #12 am: 27.07.2010, 10:29 »
Junilida, wenn ich Dich recht verstehe, kannst Du Deinen Sohn annehmen, so wie er ist. Du hast nur Probleme, dass die andere Frau Dich angesprochen hat wegen der Gruppe..


Ja, genau das trifft es.
Ich habe einfach ein Problem damit, daß sie Niklas damit als behindert ansieht. So ist es ja nicht.
Ich war auf der Internetseite der Selbsthilfegruppe gewesen und habe mir da Fotos angesehen. Das sind zum größten Teils Kinder, die im Rollstuhl sitzen oder denen man halt ihre Behinderung ansieht. Dazu gehört er ja definitiv nicht.


Und vielleicht tut es ihm auch mal gut zu sehen, dass er vielleicht Dinge kann, die andere eben nicht können. Also quasi ihn aus der "schlechten" Position rausholen...


Die Erfahrung hat er bereits im Kiga gemacht. Er war dort vielen Kindern überlegen.

Was mir aber in letzter Zeit aufgefallen ist, daß Niklas garnicht regestriert, das er anders ist als andere. Er versteht nicht, warum er zur Logopädie gehen muß, er kann ja sprechen. Das er anders spricht, merkt er nicht, für ihn ist das normal.
Nach den Ferien wird er in eine Sprachförderschule gehen. Dort sind alles Kinder, die sprachlich Probleme haben. Also wird ihm auch da nicht bewußt, daß er anders ist.

Töfchen

  • Gast
Re: Wann ist ein Kind behindert?
« Antwort #13 am: 27.07.2010, 11:06 »
wenn Du dich nicht wohl fühlst mit der Gruppe, dann würde ich es auch nicht tun. Wenn Du den Eindruck hast, dass Niklas damit gut zurecht kommt, dann ist das doch super.


Offline nenya

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  • Beiträge: 3068
Re: Wann ist ein Kind behindert?
« Antwort #14 am: 27.07.2010, 12:03 »
Im Prinzip hast du doch nur ein Problem mit der Definition. Im Endeffekt ist es doch nur ein Wort "behindert" mit dem du ein Bild assoziierst. Ich überleg gerade was vielleicht eine Mama sagt, deren Kind gelähmte Beine hat und im Rollstuhl sitzt. "Mein Kind ist aber nicht so behindert wie dieses das Entwicklungsverzögert ist mit erheblichen Sprachproblemen etc. Es sitzt doch nur im Rollstuhl!"
Ich glaube in der Gruppe sitzen viele Eltern deren Kinder alle nicht so behindert sind wie sie fürchten es die Vorurteile hergeben. Vielleicht solltest du hingehen und genau darüber sprechen, Vorurteile und Verurteilungen.
-- Ich und Er und Eins (*07), Zwei (*11), Drei (*15)